Der Zahn der Kreativität

Der Mittwoch entwickelt sich offenbar zum Mitteilungs-Tag. 😊 Auch diese Woche stehen wieder spannende Themen an, die auf den ersten Blick nichts mit Stimme zu tun haben. Manchmal ist eine Stimmcoaching-Sitzung einfach auch ein kreatives Brainstorming so wie in diesem Fall.

Eine Klientin kam zu mir aufgrund anhaltender Zahnschmerzen. Sie ist seit längerem deswegen in zahnärztlicher Behandlung, der Zahnarzt hat seinen Teil erbracht. Aus medizinischer Sicht ist in den Untersuchungen alles in Ordnung, das Röntgenbild ist ok und die Zahnbehandlung kann nun mit Ersetzen des aktuell noch vorhandenen Provisoriums abgeschlossen werden. Dennoch hat sie immer noch Beschwerden. Ihr war klar, dass sich hinter den Schmerzen nun nichts Medizinisches mehr verbergen kann, sondern sie die Schmerzen nun auf emotionaler Ebene in Angriff nehmen muss. Aber warum ist sie dann bei mir gelandet, mag sich der verwunderte Leser nun fragen.

Nun, im Gespräch kamen wir schnell wir auf das dahinterliegende Thema: Selbstverwirklichung – mein Spezialthema. Insgeheim war es ihr klar, sie hatte es sich bis zu diesem Zeitpunkt jedoch nicht eingestehen wollen.

Sie hat mir dann erzählt, dass sie vor gut einem Jahr ihre Arbeitsstelle gewechselt hat und sich in der neuen Umgebung immer noch nicht wohl fühlt. Die Arbeit geht ihr noch nicht so von der Hand wie sie es sich wünscht, so dass sie an den Arbeitstagen am Abend völlig erschöpft nach Hause kommt und keine Zeit mehr für sich und ihren heißgeliebten Sport findet. Zudem hat sie im vorigen Jahr eine Ausbildung zur Trainerin in ihrer Sportart gemacht, um sich hier zunächst ein Nebeneinkommen und irgendwann vielleicht sogar ein Vollzeitbusiness zu schaffen. Ihre Trainerin hatte sie auf die Idee gebracht mit dem Hintergedanken, dass meine Klientin im Laufe der Zeit die Kurse ihrer Trainerin übernehmen könnte.

Abgesehen davon, dass sie für sich selbst schon nicht die Zeit findet hat meine Klientin während der Ausbildung zwar enorm viel gelernt aber im Gegenzug leider auch festgestellt, dass der angedachte Gruppenunterricht ihr enorm widerstrebt. Dies aus einer demütigen Haltung heraus, was der Sport für den Menschen tun kann. Dafür ist ihres Erachtens die Gruppenarbeit untauglich, weil man so nicht oder nur oberflächlich auf die Bedürfnisse des Einzelnen eingehen kann.

Mit diesen Voraussetzungen war sie an diesem Punkt völlig festgefahren und ohne Aussicht, wie es beruflich überhaupt weitergehen könnte. Ich stellte ihr dann die Frage, die ich jedem stelle, der mit Themen rund um Beruf und Berufung zu mir kommt:

Wenn Geld keine Rolle spielen würde, du nichts verdienen müsstest, was würdest du dann am Liebsten tun? Was bringt deine Seele zum Singen, bringt deine Körperzellen zum Bizzeln und Vibrieren und lässt dich Zeit und Raum vergessen?

Die Antwort kam wie aus der Pistole geschossen: Kreatives Arbeiten, der kreative Prozess als Solches. Sie erzählte mir, dass sie in ihrer vorherigen Arbeitsstelle im Einzelhandel auch für die Dekoration der Auslagen und Schaufenster zuständig war und darin konnte sie voll und ganz aufgehen. Sie hatte die Materialien zur Verfügung, vielleicht noch das Thema (z.B. Weihnachten) und im Tun entstand ein Kunstwerk. Sie verglich es mit dem Malen: Zuerst ist da die leere Leinwand und dann fängt man einfach an, ohne zu wissen, was hinterher raus kommt.

Man merkte wirklich, wie plötzlich in ihr eine Tür aufging und wir konnten nun auch in der Sitzung kreativ arbeiten. Zwar machten wir keine Stimmübungen, haben aber über die Stimme und über spezielle Fragetechniken ein Brainstorming gemacht bzw. gemeinsam gesponnen, wie denn ein kreativer Prozess als Dienstleistung eine Grundlage für ein Business sein könnte. Wir spielten auch verschiedene Szenarien durch.

Ein Szenario, das daraus entstand, war z.B. den Sport als Einzelcoaching anzubieten und dem Klienten zu seinem mitgebrachten Thema ein ganzheitliches Konzept zu basteln, z.B. mit zum Thema passenden Atem- und Entspannungsübungen, Mentaltraining, Düften, Klängen oder was auch immer sie so in ihrem Werkzeugkasten findet. Die Idee gefiel ihr gut, aber dann kam sofort der Zweifel hoch: Da gibt es doch keinen Markt für…

An dieser Stelle lässt sich wieder der Vergleich mit dem Gesang bringen: Letztlich hebt sich eine Stimme doch dadurch ab, dass sie anders ist als andere. Kein Mensch braucht die 25.000 Helene Fischer (auch wenn ich die Kollegin über alle Maßen schätze), wenn man doch das Original hat. Und letztlich hebt sich dann das Original ja auch nicht mehr ab. Plötzlich ist alles der gleiche Einheitsbrei und wird uninteressant. Also: Do it your way!

Übertragen auf die Situation meiner Klientin: Wenn alle Trainer diesen Sport in der Gruppe anbieten, dann mach du es doch als Einzelcoaching. Damit hebst du dich ab, damit wirst du interessant und zwar für diejenigen, die zwar gern was machen würden, aber Sport in der Gruppe einfach nicht mögen. Wenn es noch keinen Markt dafür gibt, dann erschaffe ihn.

An dieser Stelle ging noch ein Türchen auf: Sie wurde in der Ausbildung, vor allem in Bezug auf die Abschlussprüfung, zwar darin bestärkt, den Unterricht auf ihre Art zu gestalten und sich von den anderen abzuheben aber über den Gruppenunterricht hinaus hatte sie noch gar nicht gedacht. Was, wenn da noch mehr möglich wäre?

An diesem Punkt gingen wir auseinander mit der Hausaufgabe, diesen kreativen Prozess weiter zu spinnen. Sie soll sich fiktive Klienten erschaffen, indem sie die Menschen in ihrem Umfeld als Vorlage nimmt: z.B. die Schwiegermutter den Hüftbeschwerden, den Nachbarn mit dem Knieproblem, die Freundin mit den verspannten Nacken – und auf diesen Vorlagen fiktive Coachingprogramme erstellen. So kann sie herausfinden, ob dies der kreative Prozess sein könnte, der sie glücklich macht und in dem sie sich selbst verwirklichen kann. Ich bin schon sehr gespannt, was sie beim nächsten Mal berichten wird.

Disclaimer:
Ich bin keiner Arzt oder Heilpraktiker. Es werden keine Diagnosen, Therapien, Behandlungen im medizinischen Sinne durchgeführt und es wird  keine Heilkunde im gesetzlichen Sinne ausgeübt. Die Sitzungen können einer ärztliche Behandlung nicht ersetzen.

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