Das Trauma von „ich hab keine Stimme“ und „ich kann nicht singen“
Wenn ich mich mit den Menschen so unterhalte, dann höre ich immer „ich hab keine Stimme“, „ich kann nicht singen“, „ich klinge wie ne Katze, der man auf den Schwanz getreten ist“.
Ach so? Wirklich? Nutzt du nicht den ganzen Tag deine Stimme, um z.B. die Kinder zu schimpfen, mit der Freundin zu plaudern, den Partner um den Finger zu wickeln, damit er den Abwasch macht?
Ich möchte dich einladen, mal auf eine Reise mit deiner Stimme zu gehen. Achte mal über den Tag verteilt in verschiedenen Situationen darauf, was du mit deiner Stimme so machst, wie du klingst, welche Sprechmuster du an den Tag legst etc. Das ist so spannend, was man da über sich selbst lernt! Wenn du es nicht alleine kannst, darfst du gerne zu mir zur Stimmanalyse kommen, da machen wir das gemeinsam.
Ich schrei z.B. immer ins Telefon, wenn ich mein Gegenüber nicht verstehe. Und dabei kommt es gar nicht drauf an ob der leise spricht. Das mach ich unbewusst auch, wenn z.B. Verständigungsschwierigkeiten aufgrund sprachlicher Barrieren bestehen. Lustig, oder? Kennst du vermutlich aber auch, stimmt’s?
Überhaupt bin ich furchtbar laut – sagt man mir zumindest immer wieder. Sogar der Sensor im Telefon zeigt mir am Display immer ein Männchen an, das den Finger auf den Mund legt, weil ich so laut bin…
All diese Menschen, die von sich sagen, dass sie keine Stimme haben oder gar singen können, entpuppen sich für mich aber immer als wahre Rohdiamanten. Interessanter Weise kommen ja die hinter dieser Überzeugung stehenden verbalen Verletzungen so gut wie immer von Menschen, die sich mit der Stimme nicht wirklich beschäftigen.
Der Klassiker: Musikunterricht in der Grundschule…
Gibt’s da draußen eigentlich irgend jemanden, der sich gerne an diese grausigen Vorsingstunden mit Benotung erinnert? Nicht mal ich tu das und ich hab schon immer gerne gesungen. In den seltensten Fällen sind die Lehrer, die hier Noten auf den Gesang vergeben, ja ausgebildete Sänger oder haben sich überhaupt mal wirklich mit dem Instrument Stimme beschäftigt. Es gibt natürlich auch andere, wie meinen Lehrer an der Mädchenrealschule. Der wusste wirklich, was er tat und hat uns Schülerinnen vor allem im Schulchor ganz anders gefördert. Aber diese Art von Lehrer mein ich eben nicht.
Ein entsprechend doofer, verletztender Kommentar, der dafür sorgt, dass jemand nie mehr singt, kommt gerne auch direkt aus der Familie. Wie viele Menschen hab ich schon gesprochen, die nie mehr gesungen haben, weil Mama oder Papa das furchtbar fanden, was aus ihren Kindern so an Klängen raus kam.
Und auch ich hab schon zu hören bekommen, dass ich nicht singen kann. Interessant, oder?
Ich kenne glaub ich niemanden, nicht mal die Sängerprofis in meinem Umfeld, der nicht irgend ein entsprechendes Verletzungsthema mit seiner Stimme hat. Das betrifft nicht nur die Singstimme, sondern auch die Sprechstimme. In der heutigen Zeit ist es ja immer schwieriger, seine eigene Wahrheit offen auszusprechen.
Das alles tut mir wirklich in der Seele weh, denn der liebe Gott hat uns dieses wundervolle Werkzeug ja als Ausdrucksmittel mit auf diese Welt gegeben. Das ist einer der Gründe, warum ich meine Ausbildung zum ganzheitlichen Stimmcoach angefangen hab. In so vielen Menschen brodelt diese unterdrückte Sehnsucht, zu singen und sich auszudrücken.
Zu diesem Thema hab ich aber noch so viel zu sagen, deshalb lass ich das hier jetzt mal so stehen. Fortsetzung folgt…